Donnerstag, 13. Dezember 2012

Trockenstoffel ( 7 )

Der Wind hatte aufgefrischt und der Ast, auf den er geflüchtet war, wankte in den Böen bedenklich. Er klammerte sich an den nassen Stamm des Baumes und blickte besorgt nach unten. 
Der Keiler war verschwunden. Sorgsam suchten seine Augen die Umgebung ab. Es schien vorbei zu sein, er konnte seinen zunehmend gefährlicheren Fluchtort wieder verlassen. 
Mit einem lauten, knackenden Geräusch brach der Ast in seinen Hand ab und er fiel rücklings auf den Boden. Schmerzhaft war der Aufprall auf der gefrorenen und harten Erde. 
Egal, er musste weiter, seinen Wagen erreichen, ehe neue Gefahren auftauchten.
Mit zitternden Händen startete er und die Räder drehten in dem Schlamm und Morast durch, ehe er davonraste. Endlich war er in Sicherheit. 

Es war ein langsames Auftauchen, wie aus einem Alptraum, der allmählich davon zieht und den Träumenden verwirrt und hilflos zurück läßt. 
Er blickte an sich herab, sah wie durch Watte einen blauen Pyjama und nackte, viel zu große Füsse. Hände, rissig und ungepflegt, mit langen Fingernägeln, lagen auf den Knien. Ihn fröstelte. 
Nur langsam kam er wieder in der Realität an, sah den großen Spiegel, die Anrichte mit den Cremes und Salben darauf.
Seine Erinnerung kam zurück, schmerzhaft wurde ihm bewusst, wie öde und sinnlos sein Leben war.
Trockenstoffel...ja, er war ein trockener, humorloser und verbitterter Mittvierziger.
Und anderer Menschen Leben zu analysieren, sie zu führen auf den rechten Weg der Tugend war zu seinem bestimmenden Lebensinhalt geworden. So brauchte er in den letzten Jahren nicht über sich nachdenken.
Er beugte sich vor den Spiegel, betrachtete die tiefen Falten in seinem zerfurchten Gesicht. Wortlos zerschlug er mit einem Flakon das Glas, sah ohne eine Regung zu, wie es zerbrach.
Er war am Ende. Doch wohnte nicht jedem Ende auch ein Anfang inne?

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