Freitag, 24. August 2012

SMERT

SMERT

Bläuliche Rauchschwaden waberten durch den Gang, als Xius schwer atmend um die Ecke bog. Erschöpft hielt er inne. Weiter, Weiter...hämmerten seine Gedanken. An die kalte Metallwand gepresst, bewegte er sich vorwärts. Seine klammen Finger tasteten nach der kleinen Vertiefung. Schon wieder war er über einen der leblosen Körper gestolpert, die in diesem schmalen Gang lagen. Blau stiegen geruchslose Gase aus ihnen, vernebelten sein Gehirn und umhüllten ihn.
Endlich hatte er sie gefunden. Wie weit entfernt nahm er das leise Zischen der Hydraulik war und schlüpfte geschmeidig durch die sich öffnende Tür. Den Schließmechanismus fand er sofort. Unruhig blickte sich Xius um. Glänzend weiß war der Raum, seine Augen schmerzten. Aus seinem Kopf quoll es ohne Unterbrechung, er spürte, wie es seine linke Gesichtshälfte zu zerfressen begann.
Schaumig-grau tropfte es auf den Boden.
Ein Schlag, heftig und unerwartet, zwang ihn in die Knie. Das kalte Metall in seinem Rücken ließ ihn für einen kurzen Moment den Schmerz vergessen.
Vor ihm auf dem Boden sammelte sich das klebrige Gelee, floß in kleine Rinnsale und breitete sich aus.
Xius spürte, wie ihn seine Kräfte verließen, als der nächste Schlag ihn traf und ihn in die andere Ecke des Raumes drückte. Ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr ihn, ehe er das Knacken seines Schädels spürte.
Nun schoß es aus ihm heraus, zerfrass seine Haut bis auf die Knochen.
Seine Augen brannten wie Feuer, aus seinem Körper stiegen blaue Gase auf.
Das schaumig-graue Gelee bewegte sich vor ihm, es formte sich zu Buchstaben. Regungslos blickte
Xius auf den weißen Boden. Seine Sinne schwanden, er versank in einem Nebel.

SMERT

erkannte er und verstand den Sinn nicht.
Tief unten aus seinem Sein bahnte sich die Erinnerung einen Weg in das Heute. SMERT, ein Wort aus einer schon lange ausgestorbenen Sprache, hunderte Jahre alt.
Die Buchstaben flossen auf ihn zu, sie bemächtigten sich seines Körpers, verschlangen ihn langsam.
Sein Gehirn splitterte, wie in Zeitlupe fielen kleinere Stücke auf den Boden und wurden von dem grauen Gelee aufgenommen.
Wie ein Beobachter sah Xius zu, wie das Gelee seine Beine aufnahm und seine Hüften umhüllte. Stumm und regungslos sah er, wie sein Gehirn zerfiel.

SMERT

Kurz vor seinem Herz stoppte das Gelee plötzlich. Die Arme hatte es schon vernichtet, Xius bestand nur noch aus einem leeren Schädel, Halsknochen, Lungen und Herz. Doch er spürte keine Schmerzen, fühlte sich wie in Watte gepackt schwebend.

Das Gelee erhob sich, schwebte auf Xius zu und hüllte ihn ein. Angenehm kühl war es, wie ein leichter Wind. Von allen Seiten drang das Gelee nun in ihn ein. Seine Lungenbläschen platzten, und als die Aorta vom Herz getrennt wurde, floss nicht ein Tropfen Blut. Bevor er starb, fiel ihm plötzlich die Bedeutung des Wortes ein. Es ergab alles einen Sinn.

SMERT -- TOD

Mittwoch, 22. August 2012

nahe am Tod

Gerhard Löffler ist Künstler. Er hat Preise gewonnen, studiert und sein großer Traum war, irgendwann einmal von seiner Kunst leben zu können. 
Heute bekommt er monatlich 400 Euro und weiß, dass jeder Tag sein letzter sein könnte. Dem STERN hat der 38-jährige vor kurzem in einem Interview einen Einblick in sein Inneres gewährt, der berührt und verstört. 
Löffler hat Krebs, einen Gehirntumor, der, wie er sagt, sein Gehirn langsam auffrisst. In klaren Worten und schonungslos offen beschreibt Löffler seinen Alltag, der ein täglicher Kampf ist. 
Vor dem Interview hat er 42 Tabletten eingenommen, eine halbe Stunde hat dies gedauert. Sein seelischer Zustand gleicht einer täglichen Achterbahnfahrt, immer wieder muß er sich selbst für kleine Handlungen motivieren. Entscheidungen  fallen ihm schwer, beim Lesen verliert er sich in den Schachtelsätzen.
Betroffen lässt mich eine Aussage des Künstlers innehalten. Er könne eigentlich gar nicht begraben werden, weil er lebender Sondermüll sei und den Boden mit dem vielen Gift, das er mit den Tabletten eingenommen habe, kontaminieren würde. Lieber wäre es ihm, wenn er verbrannt und seine Asche zu einem Diamanten gepresst würde. Diesen Ring könne seine Freundin tragen, so wäre er weiterhin bei ihr. 
Die Krankheit hat ihn verändert. Einen jungen Vogel, der aus dem Nest gefallen ist, hat er  begraben, um ihm ein würdevolles Ende zu bereiten. Früher, so sagt er, hätte er ihn einfach im Müll entsorgt.
Mir fällt Christoph Schlingensief ein, der sein Krebsleiden öffentlich zelebriert hat. Damit löste der Regisseur eine Debatte aus, ob dies wirklich angebracht sei. Pietätlosigkeit wurde ihm vorgeworfen und dass er geltungssüchtig sei.
Löffler möchte sein Begräbnis öffentlich zelebrieren. Darf er das?
Vor einigen Jahren führte ich mehrere Gespräche mit einem Krebskranken. Sie begannen in einer Zeit, als er nach langer Chemotherapie glaubte, den Dämon in seinem Körper besiegt zu haben. Er flog mit seiner Familie in den Urlaub und lebte intensiver als jemals zuvor. 
Doch der Dämon war stärker, er kam zurück, brutaler und schmerzhafter als vorher. Seine Metastasen überwuchertern  andere Organe, er breitete sich immer mehr aus. Unsere Gespräche wurden ernsthafter, sie kreisten darum, was das Leben ausmacht. Der von seiner Krankheit schwer Gezeichnete sah angesichts des ihn bereits belauernden Todes das Leben als fröhliches Spiel, bei dem nichts ausgelassen werden sollte. Leben, so sagte er mir, soll Spaß sein, Lachen und mit ausgebreiteten Armen fliegen. 
Als er starb, verlor ich einen Freund, einen Menschen, mit dem mich mehr verband als nur diese Gespräche. 
Er war nicht der einzige Krebskranke, mit dem ich sprechen durfte. Und ausnahmslos alle zogen eine Konsequenz aus ihrem nahenden Lebensende, lebt Leute, verliert Euch nicht in den Niederungen des Alltages, sondern lebt. Und lebt Eure Träume, so lange Ihr es noch könnt. 
Gerhard Löffler hat diese Einstellung verinnerlicht. Er hat seine Krankheit zum Motiv seiner künstlerischen Arbeit erkoren. Ähnlich wie dem genialen Regisseur Schlingensief ist ihm die Öffentlichkeit auch ein Mittel, sein ihn aufzehrendes Leiden zu ertragen. 
Und ja, aus meinen Gesprächen, aus einem Einblick in das Seelenleben von Todgeweihten sage ich, sie dürfen diese Krankheit in die Öffentlichkeit bringen, wenn sie es selber wollen. 
Es ist, wie mir ein Krebskranker einmal sagte, ein Bindeglied in das Leben, was ihn selber auch am Leben hält. Kein Zurückziehen in den privaten Raum des Leides, der Verzweiflung und depressiven Phasen, sondern ein optimistischer Blick in die Weite und auf die Schönheit des Lebens. 
Wenn Löffler davon spricht, er sterbe ja das erste Mal, so mögen diese Worte verstörend und irritierend wirken. Sie zeigen aber einen Menschen, der die Grenzlinie zwischen Leben und Tod für sich angenommen hat und ihr immer näher kommt.
Es ist ein berührendes Zeitzeugnis, das der STERN hier abdruckt, ein ungeschönter, brutaler und auch verstörender Blick an die Nahtstelle zwischen Leben und Tod. 

Donnerstag, 16. August 2012

Zurück ins Licht, let`s go!

Wer in eine depressive Phase seines Lebens gerät, aus welchen Gründen auch immer, erlebt das Leben oft als schwarzen, engen Tunnel. Die Wände bewegen sich auf den Betroffenen zu, es wird immer enger, er fühlt sich eingeschnürt, ihm wird die Luft genommen, er fühlt sich wie gelähmt.
Immer mehr Kraft verwendet er darauf, sein Leben nach außen zu bewahren, sich einzufügen, nicht aufzufallen. Immer weniger ist er in der Lage, zu erkennen, dass er den falschen Weg beschreitet. Anstatt die Ursachen zu erkennen und die Gründe zu hinterfragen, versucht er immer verzweifelter, einen Schein zu bewahren, der ihn nur noch tiefer in eine ihn immer mehr umklammernde depressive Grundstimmung zieht.
Wohlgemerkt, ich schreibe nicht von einer tiefsitzenden Depression als schwere psychische Erkrankung, sondern von depressiven Stimmungen, fachärztlich auch als Dystymia bezeichnet.

Anstatt umzukehren, wird der Tunnel immer tiefer beschritten, unfähig, die damit immer näher kommende Katastrophe vorherzusehen. Die innere Verfasstheit des Betroffenen verändert sich unmerklich für ihn, weil er die in seinem realen Leben dafür existierenden Gründe nicht erkennen kann.

Irgendwann kann diese depressive Grundstimmung umschlagen, in eine Depression. Und auch jetzt noch wird nach außen der Schein gewahrt. Oder es entlädt sich etwas im Inneren des Betroffenen, dass er ein Licht am Ende des Tunnels erkennt und weiss, wa er ändern muss, um der akuten und für ihn bedrohlichen Situation zu entkommen. Damit hätte er den ersten Schritt zu einer Änderung seiner eigenen Situation getan.

Eine Veränderung ist aber an jedem Punkt dieser sich lange hinziehenden Entwicklung möglich. Mir sind Fälle bekannt, wo erst ein totaler physischer und psychischer Zusammenbruch, etwa als Kreislaufzusammenbruch, den Betroffenen eine Umkehr auf dem verhängnisvollen Weg der Selbstverleugnung ermöglichten. Was jetzt folgt, ist ein schmerzvoller Prozess der Selbsterkenntnis, dass man sich selbst belogen hat, dass ein Weg des Masochismus beschritten wurde, dass vielfach eine verhängnisvolle Abhängigkeit zu, ja, Sadisten existierte. Diese Symbiose aus Masochismus und Sadismus vollzog sich nicht auf der körperlichen, sondern auf der emotionalen Ebene, als eine Verkettung von zwei Menschen, die sich gegenseitig in eine Katastrophe führten, weil sie in einer brutalen und sich gegenseitig vernichtenden Abhängigkeit voneinander existierten.
Keiner der beiden war in der Lage, diesen Kreislauf aufzubrechen, und sei es durch eine räumliche und damit auch psychische und emotionale Trennung.

Erst ein solches Aufbrechen aber ermöglicht ein Verlassen des eingeschlagenen Weges des sich selbst Verletzens, des in einer masochistischen und als Antonym dazu sadistischen Rolle Verharrens, wobei die Rollen dabei auch noch gewechselt werden.

The dark side of life, sie muss nicht zwangsläufig für immer das Leben bestimmen.

Wann sie verlassen wird, hängt von sehr unterschiedlichen und immer auch individuellen Faktoren ab.

Ich möchte in diesem Blog aufzeigen, dass immer Wege aus dem Tunnel der Dunkelheit zurück in das Licht des schönen, befreienden und bewusst genießenden Lebens möglich sind.
Und dass die Betroffenen meist Hilfe benötigen, ärztliche und psychologische, oft auch medikamentöse, dass sie vor allem aber zu einer eigenen, aus ihnen selbst kommenden Stärke zurück finden müssen.

Dafür brauchen sie Unterstützung ihres familiären Umfeldes, Offenheit und die Gewissheit, dass sie für einen manchmal langen Zeitraum ein Nest der Liebe vorfinden, in das sie jederzeit fallen können.

Vor allem aber brauchen sie den Willen, diesen Weg zurück ins Licht selber gehen zu wollen.
Diesen aber können sie erst entwickeln, wenn sie die konkrete Lebenssituation aufgegeben haben, räumlich und noch wichtiger, emotional.

So hart es klingt, manchmal ist eine Trennung von einem Menschen, den man zu lieben glaubt, obwohl längst eine zerstörerische und vernichtende Abhängigkeit besteht, der beste Weg. Erst dieser radikale Schnitt schafft Grundlagen dafür, die eigene Rolle in dieser in den Abgrund führenden Symbiose zu erkennen. Das ist aber wiederum die entscheidende Vorraussetzung dafür, die eigenen Lebensumstände konkret so zu verändern, dass ein glückliches und emotional erfülltes Leben wieder möglich ist.

Mittwoch, 15. August 2012

foltersaal der seele



foltersaal der seele


die seele zieht sich tief zurück
meilenweit entfernt das glück
flucht in auto - aggression
scheisse, was verstehst du schon

immer gegen wände laufen
warum lasst sich glück nicht kaufen
möchte nicht mehr mit ihm raufen
oder mich sinnlos besaufen

depression, tiefschwarze nacht
ich kann keinen ausgang sehen
spüre fest die dunkel macht
und möchte einfach nur gehen

hast nie selbst erlebt die qual
in dem dunklen foltersaal
festgebunden, ohne wahl
halt dein maul, verdammt noch mal

arrogant hinweise geben
selbstgefällig, ohne sinn
was weisst du von diesem leben
warst nie da und kommst nie hin

diese folter ist geschehen
meine seele hat`s gesehen
irgendwann konnte ich gehen
wieder in die sonne sehen

gequälte seele, deformiert
sie streckt langsam sich ins licht
möchte tanzen, ungeniert
doch vergessen kann sie nicht


Dienstag, 14. August 2012

Steigende Selbstmordzahlen und alltägliche Ursachen


Wer heute eine psychotherapeutische Behandlung beginnt, unterschreibt in der Regel ein Formular, in dem er sich verpflichtet, in der Zeit der Therapie keinen Suizidversuch zu unternehmen. Es wird also schon zu Beginn der Behandlung auf den kausalen Zusammenhang zwischen der seelischen Erkrankung und dem möglichen letzten Ausweg aus ihr hingewiesen.
Im Jahre 2010 nahmen sich in Deutschland 9616 Menschen das Leben, immerhin 120 mehr als 2009. Fast 10.000 Deutsche sahen aus ihren Problemen keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Leben zu beenden. Die Ursachen dafür sind vielfältig, der Verlust des langjährigen geliebten Partners, schwere Erkrankungen, tiefste Depressionen, Mobbing oder andere. 
Ebenfalls 2010 gingen Experten von etwa 1,8 Millionen deutschen Berufstätigen aus, die regelmäßig und langanhaltend gemobbt wurden. Viele von Ihnen empfanden ihre berufliche Situation als Hölle. Dass Mobbing seelisch krank machen kann, ist inzwischen bekannt. Dass Mobbing auch, wenn es nicht gestoppt wird, in den Suizid führen kann, ist bisher nur eine Vermutung, weil wissenschaftlich noch nicht umfassend erforscht.
Hier ein Interview mit einer umfassenden Erklärung und weiteren Einzelheiten zu Mobbing:
Oft wird ein Suizid in einer anonymem Umgebung durchgeführt. Wer sich mit in Hotels Tätigen über dieses Thema unterhält, wird vielleicht folgendes zu hören bekommen. Silvester, ein Gast, alleinreisend und mit dem Wunsch nach einem Zimmer in den oberen Etagen, schließlich ist von dort das Feuerwerk eindrucksvoller zu erleben. Und plötzlich, ein Schrei und ein klatschendes Geräusch auf dem Asphalt. Dieser Gast beging in der Anonymität des Hotels seinen Suizid.
Wie die Mitarbeiter des Hotels mit einer solchen Situation umgehen und welche psychischen Auswirkungen dies für sie bedeutet, ist hier eine andere Frage.
Egal, welche Gründe einen Menschen dazu treiben, im Suizid die letzte Möglichkeit der Lösung seiner Probleme zu sehen, es bleibt immer eine Ultima Ratio, ohne Möglichkeit der Umkehr. Und oft, der Fussballstar Robert Enke ist dafür ein Beispiel, sind es nach außen erfolgreiche Persönlichkeiten, denen dieser Schritt niemals zugetraut wird. Sie stehen im Leben, sie dienen vielen auch als Vorbild.
Notwendig ist deshalb mehr Offenheit, mehr Verständnis füreinander und auch die Möglichkeit des sich einmal Zurückziehens.
Burnout bedeutet, ausgebrannt, mental erschöpft zu sein. Es ist eine der Erkrankungen, die aus unserem hektischen und immer angespannteren Leben heraus erwächst. Im Harz befindet sich eine Klinik für Burnout-Patienten, in der diese Ruhe finden. Nur sitzen, liegen, kein Zwang, etwas zu tun, einfach nur selbst sein. 
Für mehr Informationen:
Es sind, das zeigen nicht nur Burnout und Mobbing, auch unsere Lebensführung und gesellschaftlich bestimmte Ursachen, die Menschen in die totale Erschöpfung und den Zustand der Ausweglosigkeit führen.
Und darüber lohnt es sich, in einer ruhigen Minute einmal nachzudenken.